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Unser Übungsprojekt

Uns war es sehr wichtig, dass wir vor der Grüdung einer Solawi, die Abläufe zunächst in kleinem Maßstab ausprobieren. Auch wenn die theoretischen Inhalte über die Studiengänge gut vermittelt wurden und Praxiserfahrungen als Angestellte in einer Solawi gemacht wurden, ist es doch was anderes, einen Gärtnerbetrieb ganz allein zu managen. Auch waren wir uns sicher, dass wir Gemüse nicht in herkömmlicher ökologischer Anbauweise anbauen wollen, denn selbst wenn die Theorie umweltfreundlich und bodenschonend scheint, so mussten wir bei einigen Hofbesichtigungen bio- oder sogar demeter-Betriebe in der Praxis mit Erschrecken anderes feststellen. Nach Recherche und Austausch mit bio-Gärtner:innen erfuhren wir von zwei ökologischen Anbauweisen, die den Boden mit all den wichtigen Bodenlebewesen durch fehlende oder fast fehlende Bodenbearbeitung schonen sollen. Zum einen der ,,Market Garden" nach Jean-Martin Fortier und zum anderen ,,No Dig" nach Charles Dowding. Wir nahmen Kontakt zu umliegenden Höfen auf, die einen Teil ihres Gemüse in der einen oder der anderen Anbauweise anbauen, informierten uns, fanden es schade, dass keine Langzeiterfahrungen bestehen und entschieden uns, dass wir beide Anbauweisen praktisch miteinander vergleichen wollen. 
Aus dieser Motivation heraus, entstand unser wunderschöner 200 m2 großer Übungsgarten in Evendorf. Die Beete legten wir im Herbst 2021 an mit kommunalen RAL-qualifizierten Kompost auf dem Kompostwerk Borg (Uelzen). Das RAL-Gütesiegel ist für den Bioland-Anbau zugelassen. Für uns war der Moment der Kompostlieferung mit der aufregenste Moment des ganzen Probeanbaus. Bevor wir mit dem Verteilen des Kompost begonnen, hatten wir viele Fahrradläden durchtelefoniert, weil wir (dicke), plastikfreie Pappe brauchten. Und zwar sehr viel davon. Auf den ganzen 200 m2 wollten wir Pappe auslegen, die keine Löcher aufweist und ausreichend überlappt. Dás Ziel des Pappeauslegens ist, dass wir den Boden darunter gar nicht bearbeitet haben und so die Pappe auf einer Moos-Gras-Beikrautschischt ausbreiteten, Die organische Schicht soll das wachsende Grün durch Lichtmangel sterben lassen, sodass es in den Folgejahren nicht durch den daraufliegenden Kompost durchwächst. 
Nachdem die Pappe ausgebreitet und die Beete eingemessen waren, kamen einige fleißige Helfer:innen, die tatkräftig Kompost in Schubkarren schaufelten, Schubkarren zu den Beeten fuhren und die Beete glatt harkten. Nach drei Tagen Arbeit, breiteten wir Mulchfolie auf den Beeten aus und schickten sie in Winteruhe, damit sie sich in Ruhe auf die erste Pflanzung im März 2022 vorbereiten konnte.

Wir legten die Beete bereits im Herbst des Vorjahres an, damit dir Frostgare den Kompost feinkrümeliger macht. Die Folie dient dazu, Mineralstoffauswaschungen zu vermeiden und Beikrautsamen keinen Platz zum Landen auf den Beeten zuzugestehen.
 Der Garten draußen beschäftigte uns nicht weiter in den kommenden Monate. Doch unbeschäftigt waren wir keineswegs, denn die eigene Jungpflanzenanzucht musste organisiert und aufgebaut werden. Hierfür kauften wir uns ein 2m x 2m großes Growtent, welches wir im Wohnhaus aufbauten. Mit Regalen, künstlichen Lichtern und einem Glaskonvektor für die Temperaturkontrolle zogen wir alle unsere Jungpflanzen für die kommende Saison in biologischer, torffreier Erde an. Die Hauptmotivation für uns, direkt im ersten Jahr mit einer eigenen Jungpflanzenanzucht zu starten, war, dass kein Bio-Jungpflanzenlieferant in der Region ansässig ist, welcher torffrei arbeitet. Den Torfabbau wollten wir keineswegs unterstützen. Das erste Gemüse, welches in unserer Jungpflanzenanzucht ausgesät wurde, war Porree im Januar. Porree ist erwähnenswert, weil er uns am meisten überraschte. Niemand von uns glaubte richtig daran, dass die grashalmdünnen Porreestangen, die wir ca. im April in die Beete pflanzten, nach ein paar Monaten zu stattlichen Stangen heranwuchsen. Das Wachstum der Pflanzen, vor allem des Porrees, hat uns regelmäßig tiefen Herzens gefreut. 
Unser Garten war so organisiert, dass die eine Hälfte gemäß der ,,No Dig" Anbauweise organisiert und beackert wird, die andere Hälfte im ,,Market Garden". Hiermit wollten wir erreichen, dass wir beide Anbauverfahren in der Praxis kennenlernen und herausfinden, welcher Anbau für uns persönlich und für den Standort am geeignetesten ist. 
Recht zügig waren wir uns einig, dass wir im ,,Market Garden" arbeiten wollen und werden. Vor allem deswegen, weil die ,,No Dig"-Anbauweise vorsieht, alle Ernterückstände, außer die Wurzeln, von dem Beet zu entfernen und seperat zu kompostieren. Einen eigenen Kompost zu haben, ist auf jeden Fall erstrebenswert, für uns in den ersten Jahren allerdings zu anspruchsvoll. Denn gutes Kompostieren sollte gelernt sein. Andernfalls birgt es ein großes Risiko, Krankheiten und Schädlinge zu akkumulieren. Auch wenn es aus unserer Sicht ein schöner Gedanke ist, den Boden gar nicht zu bearbeiten, ist es für uns nicht praktisch. Es ist viel zu schade, die ganze organische Masse von den Beeten zu entfernen und nicht weiterzunutzen. Im ,,Market Garden" werden die Ernterückstände gemulcht, das heißt oberirdisch kleingeschreddert, und dann entweder in die obersten 2 Bodenzentimeter eingearbeitet oder es wird auf eine Einarbeitung verzichtet und direkt mit Mulchfolie abgedeckt. Durch die Mulchfolie erwärmt sich die Erde, sodass die Bodenlebewesen eine angenehme Arbeitstemperatur haben, um mit der Zersetzung und Einarbeitung der Ernterückstände in den Boden zu beginnen.
 Durch manche Direktsaaten (z.B. Radieschen, Möhre, Rettich, Rübchen) und Pflanzungen stand unser Garten zu jeder Zeit der Saison in voller Pracht. Nun hatten wir ganz schön viel leckeres Bio-Gemüse und konnten es ganz sicher nicht alles alleine verspeisen. Das hat nicht mal unsere 7-köpfige Wohngemeinschaft geschafft.

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Wir waren bestrebt, auch die Organisation einer solidarischen Landwirtschaft zu üben, in dem wir uns ca. 10 Menschen aus der Region suchten, an die wir 1x wöchentlich Gemüse in der Zeit von Mitte Mai bis Ende November ausgaben. Donnerstags war unser Erntetag. An diesem Tag ernteten wir Gemüse für zehn Anteile, bereiteten es auf und brachten es in unser kleines Depot auf dem eigenen Hof. Auf einem kleinem Whiteboard notierten wir die Anteilgröße der Woche, stellten eine Waage dazu für Kulturen, die abgewogen werden mussten und baten die Menschen, ihren Namen auf dem Whiteboard zu notieren, nach erfolgreicher Abholung. Die Menschen hatten drei Tage Zeit, ihr Gemüse abzuholen. Wir waren sehr dankbar, dass unser Gemüse gegessen wurde und wir die Rückmeldung bekamen, dass es lecker ist. Uns hat daran nicht nur der Punkt gefallen, dass wir Bio-Gemüse an Menschen verteilen konnten, sondern hatten wir auch das Gefühl, dass ein solches Projekt die einzelnen Dorfbewohner:innen wieder mehr zusammenbringen kann, weil es einem weiteren Überschneidungspunkt gibt.
 Rückblickend können wir sagen, dass wir mit dem Anbausystem ,,Market Garden" zufrieden sind und es in einem größerem Maßstab umsetzen wollen.

Das Auslegen der Pappe hat seinen Sinn gänzlich erfüllt, denn eine große Beikrautproblematik hatten wir im ersten Jahr nicht. Viel Zeit für die Beikrautregulation investierten wir wahrlich nicht. Was uns als extrem positiv vor allem in Hinblick auf unsere sandigen Heideböden auffiel war, dass der Kompost das Wasser unglaublich lange hält. Wir mussten ca. vier mal weniger gießen, als wir es im Vorjahr taten, in dem wir in unserem Sandboden Gemüse anbauten. Das Gute daran ist, dass nicht durch das Wasser durch den Kompost besser gehalten wird, sondern auch die Nährstoffe, die den Pflanzen zum Wachstum zur Vergügung stehen.
 Womit wir nicht zufrieden waren ist eine zum Teil große Bodenverdichtung in manchen Beeten. Vor allem der erste Satz Möhren hatte es sehr schwer mit dem Wachstum. Wir glauben, dass es daran lag, dass es stark regnete am letzten Tag im Herbst beim Anlegen der Beete, sodass der Kompost stark verdichtet wurde. Im Laufe der Saison stellten wir fest, dass der Boden mit zunehmender Durchwurzelung der Vorkulturen lockerer wurde und die Folgesätze Möhren immer geradliniger wuchsen.


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